Dienstag, 15. Oktober 2013

Intellektueller Kopierschutz

Aufschrei, junger Seeadler - Zeppelin (www.piqs.de)
Es war noch nie schwer, jede nur denkbare Meinung zu der die Autorenwelt allzeit bewegenden Frage nachzulesen, wie viel "Inspiration" man sich von den Kollegen holen darf. Seit Guttenberg ist es noch einfacher geworden.
Urheberrechtlich ist jeder, der sich mit Texten und deren Verwertung auseinandersetzt, gefordert, wenigstens die Grundlagen parat zu haben. Wie nah darf ich an ein Werk herankommen, ohne die darauf liegenden Urheberrechte zu verletzen? 
Was überhaupt ist geschützt? Das Urheberrecht schützt neben Fotos, Film und Musik auch Schriftwerke - vereinfacht gesagt, alles, was man lesen kann. Von Texten verlangt der Gesetzgeber dabei eine gewisse kreative Qualität, die sogenannte "Schöpfungs-" oder "Gestaltungshöhe". Das soll heißen, "erforderlich ist eine durch die individuelle Gedankenführung geprägte sprachliche Gestaltung oder eine individuelle Auswahl oder Darstellung des Inhalts." Starre Regeln gibt es nicht, allerdings ist es bei literarischen Werken in den allermeisten Fällen zu bejahen. 
Sobald ein Werk Urheberrechtsschutz genießt, darf es nur mit Zustimmung des Urhebers (Autors) verwendet werden. Bei Verstößen kann der Urheber neben Unterlassung auch Schadensersatz verlangen. 
Das gilt nicht nur für das Werk als Ganzes, sondern auch für sprachlich eigenständige, also aus sich heraus verständliche Textpassagen. Und zwar nicht nur bei Doktorarbeiten und Internetseiten, sondern z.B. auch bei einer Szene aus einem Buch oder Film. 
Die Bearbeitung, also das Verfremden und Umschreiben eines Textes kann das Urheberrecht brechen. Allerdings ist hier Vorsicht geboten. Denn wenn der individuelle schöpferische Gehalt auch noch im bearbeiteten neuen Werk weiterlebt, liegt eine Urheberrechtsverletzung vor. Es genügt also sicher nicht, die Namen und Orte auszutauschen. Werden ganze Absätze nur etwas umformuliert und in der Reihenfolge der Vorlage übernommen, wird in der Regel eine Urheberrechtsverletzung vorliegen. Wenn die Umarbeitung nicht ausreichend  und der originäre Urheber entgegen §13 UrhG nicht benannt ("zitiert") wurde, liegt gerade wegen der Bearbeitung ein besonders schwerer Fall vor.
Allerdings darf nach § 51 UrhG ein an sich schutzfähiger Teil eines Schriftwerkes in einem anderen Werk wiedergegeben werden, wenn die Übernahme als Zitat gekennzeichnet ist, der Urheber genannt ist und die Wiedergabe im Rahmen einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dieser Textstelle erfolgt oder aus anderen wissenschaftlichen Gründen notwendig ist.
Lässt man die Paragraphen hinter sich, bleibt der eigene sportliche Ehrgeiz und die moralische Frage, was man eigentlich mit welchen Mitteln erreichen will. Es ist schwierig und ich habe auch schon viel darüber diskutiert - allzeit beweglich in verschiedenen Lagern sogar. 
Die einen sagen, dass ein Plagiat die ehrlichste Art eines Kompliments ist, weil man ja keinen Schrott abschreiben würde - was sicherlich über das Ziel hinausgeschossen wäre. Die anderen vertreten die Ansicht, dass man auch seine eigenen Ideen verwerfen müsse, sobald sie andernorts von anderen so ähnlich schon veröffentlicht werden. Das finde ich nun kleinlich.
Ich persönlich zitiere gern. Ich übernehme auch mal eine Szene aus einem Buch und baue sie um und dann ein.Weil ich sie toll finde. Und weil ich sie beim Schreiben noch einmal ganz anders wahrnehmen und genießen kann. 
Man hört immer wieder und mit guten Argumenten, dass das eh überbewertet wird, weil es nur eine sehr überschaubare Anzahl von denkbaren Geschichten gibt. Und dass ein Plagiator sei, wer von einem abschreibt. Wer nämlich von vielen abschreibt, ist ein Wissenschaftler. 
Wo wird Inspiration zum Diebstahl? Wir greifen auf unsere Fantasie zurück, die von unseren Erlebnissen genährt wird. Entweder indem wir sie nachbilden - oder indem wir sie ganz bewusst vermeiden. Aber sie prägt unsere Erzählung, so oder so. 
Ich habe z.B. im großen Rat von Athon die Debatten um den Afghanistan-Einsatz wiederentdeckt. Nicht bewusst reingeschrieben, aber eines Tages beim Überarbeiten doch bemerkt. So kann es gehen. Ein Film, ein Erlebnis, ein Buch, eine Reportage, der blöde Spruch eines Freunds und das Malheur des Lebensgefährten - alles wird verwurstet. So ist das eben. 
Der Anstand verlangt , dass man das Werk der Kollegen respektiert und nicht etwa 1:1 kopiert oder nur die Namen wechselt, was aber schon vorgekommen sein soll. Nein, Inspiration bedeutet für mich, etwas Bekanntes zu nehmen und dem etwas Eigenes hinzuzufügen oder es aus seinem Zusammenhang zu reißen und einen neuen zu schaffen.
Viel Theorie, aber was heißt das jetzt nun konkret?  Wobei diese Frage z.B. mit bayrischem Akzent ein berühmtes Zitat aus Rosenmüllers liebenswertem "Wer früher stirbt, ist länger tot" ist - und damit gleich mein erstes Beispiel.
Dreht man an den Figuren - das mache ich oft - wird eine neue Geschichte daraus. Wenn völlig andere Charaktere sich in "inspirierten Szenen" genauso verhalten und das immer noch logisch und nachvollziehbar ist, dann bin ich als passionierter psychologischer Gründler womöglich einer der großen Grundmuster in der menschlichen Verhaltensweise auf die Spur gekommen.
Man kann auch am Setting drehen. In einer anderen Kultur und damit anderen Rahmenbedingungen erhalten die bekannten Verhaltensweisen einen völlig neuen Sinngehalt. Wem ist bei Pretty Woman nicht erst in der Szene im Hotelgarten, wenn Vivian mit ihrer Strich-Freundin spricht, aufgefallen, dass die Story tatsächlich die von Aschenputtel ist? Würden Hänsel und Gretel unter Elfen genauso funktionieren
Oder man verändert die Erzählperspektive. Wir würde Rotkäppchen aus der Sicht des Wolfes klingen? Was ist eigentlich aus Dornröschen und ihrem Prinzen geworden? Hat sie jetzt eine Schlafstörung oder eine Rosenallergie entwickelt? Fragen über Fragen - und sie alle verdienen eine Antwort. Nicht notwendig in dem aktuellen Werk, aber vom Grundsatz. 
Und daher ist es auch völlig in Ordnung, wenn man die Ideen der Vordenker aufgreift und variiert. Finde ich. 

1 Kommentar:

  1. In manchen Fällen wird der Einbau von Anspielungen auf andere Werke zur Kunstform. Dss nennt man dann Intertextualität. Paul Auster ist so ein Fall.

    AntwortenLöschen