Dienstag, 30. Juli 2013

Über das Träumen

Ich schreibe gerne.
Nur falls sich das noch nicht herumgesprochen haben sollte.
Und ich träume gerne.
Was nicht überraschend ist, wenn man bedenkt, dass ich eine epochale Fantasy-Reihe schreibe.

Obwohl mir meine Sekretärin schon mal allen Ernstes gesagt hat, dass ich bemitleidenswert wäre, fantasielos wie ich sei... Nun, ich wagte zu sagen, dass sich mir die "besondere Magie" von Twillight nicht erschließt. Tut sie nicht. Weder auf Deutsch noch auf Englisch, als Buch oder Film. Auch nicht, wenn mir Fans versuchen zu erläutern, worin diese "besondere Magie" liegt. Aber ich schweife schon wieder ab. Hätte sie mir vorgeworfen, die Aufmerksamkeitsspanne eines demenzkranken Eichhörnchens zu besitzen, hätte ich weniger beherzt widersprochen.
Wobei ich nicht widersprochen, sondern nur still gelächelt.... ARGH! Schon wieder! Wo war ich stehen geblieben?

Ja, ich habe den unendlichen Weiten des Netzes anvertraut, dass ich gerne träume. In 3-D und Farbe.
Ich träume von Literatur-Nobelpreisen und dem Helden als Blockbuster-Serie, die selbst Game of Thrones das Fürchten lehrt.
Ich male mir aus, wie die Fans für mein Buch vor einem Laden campieren.
Ich frage mich, wie ich wohl reagiere, wenn ich das erste Mal spontan in der U-Bahn um ein Autogramm gebeten werde...
Jetzt stutze ich...

http://de.wikipedia.org/wiki/Caesarenwahn

Hmmmm... wenn man den Hunger nach militärischen Triumphen durch literarische ersetzt, bin ich im Geschäft, wenn ich so weiter mache.

Aber zurück zu meinem heutigen Thema:
Wenn man einen Traum hat - und unter dem Strich ist es ja nur ein einzelner Traum - muss man etwas dafür tun, dass er sich erfüllen kann. Ein Traum ist wie ein Versprechen, das man seiner Seele gibt.
Wenn es ein guter Traum ist, dann muss man auch was dafür tun. Denn er hat es verdient. Träume gehören der Seele. Und aus der Seele heraus entfaltet sich unsere Welt, so wie wir sie wahrnehmen.

Woher kommen Träume?
Ich stelle mir den Kopf wie ein Labyrinth vor. Wie eine weite, Escher-mäßig verschachtelte Fläche, in der es zugleich bergauf und bergab geht und vielleicht auch ums Eck. Es gibt stille, zauberhafte Elfenwinkel, verschwiegene kleine Ecken, in denen man sich geborgen fühlt. Baumhöhlen und weite Wälder. Faszinierende Weiten, fantastische Städte, verträumte Gässchen, endloe Weiten - mehrere Welten in- und übereinander gefältelt, sich stetig neu erfindend. Dort wohnt alle Musik, die hier je ein Echo werfen durfte, jedes Buch, das mich je berührt hat, jede Szene, die durch meine Augen, den Weg hierher gefunden haben.
Darin leben wirre Gedanken, die dort frei herumhüpfen und umherflitzen.
Etwas eitel nehme ich an, dass Autorenköpfe vielleicht ein bisschen bunter befüllt sind. Und selbstkritisch füge ich hinzu, dass sie vielleicht auch etwas verschachtelter als andere sind.
Ich glaube, dass Gedanken sich in Autorenköpfen wohl fühlen. Und doch wollen sie hinaus. Wie aus jedem anderen Kopf auch. Egal, wie gemütlich ein Käfig ist, wie luxuriös es da drin auch sein mag - am Ende ist es ein Käfig.
Alle Gedanken wollen raus, sie wollen ins Außen. Sie wollen wirken. Sie wollen für wahr genommen werden.
Auch deshalb sind Autorengedanken glücklicher als andere.
Sie haben unsere Texte. Sie dürfen fliegen. Oder baden gehen. Aber sie dürfen leben. Im Guten wie im Schlechten. Ein Buch führt Träume aus dem Kopf in die Welt hinaus. Ein Buch gehört in diese Welt. Aber das, was drinsteht, entstammt jener Welt in unseren Köpfen, und dorthin gehen sie auch wieder zurück, denn wo speichern wir das, was wir lesen. Und so sind Bücher wichtige Brücken zwischen den Welten. Musik kann das vermutlich auch, aber ich bin zu unmusikalisch, um sicher zu sein.

Wer träumt, verändert die Welt in seinem Inneren. Was hindert, das auch draußen zu tun?
So entsteht Kreativität. Eine Autorentugend.
Eine besondere Form, der Magie. Echte Magie - jene, die jeder benutzen kann. Wenn er es tut.
Ich lebe meine Träume.
Wenn ich kann.

Träume leben ist schwierig. Träume haben viele Gesichter. Es ist ein hartes Geschäft, denn Träume befassen sich mit allem Möglichen. Wenn man tagträumt, hat man die Kontrolle, kann sie lenken, bleibt hübsch und unverbindlich. Supercool. Oder superniedlich. Disney-Wäldchen, in denen die Sonne scheint und die Vögel eingängige Melodien singen.
Doch nachts geht es anders zu, dann kontrolliert der Verstand das Herz nicht mehr und es tobt sich aus, stöbert durch die Seele und zerrt alles Mögliche und Unmögliche hervor. Vergessenes und Verdrängtes. Unterdrücktes und Verlorenes... Und ganz schnell startet im Disney-Wäldchen Blair Witch Project.
Ich lebe auch diese Träume. Zugegebenermaßen mit weniger Begeisterung, aber auch sie haben es verdient, zu fliegen. Schon, damit sie weg sind. Ich habe so mit dieser Einstellung Krebs und Chemo überstanden - und ja, das war hart. Auch anderes war hart, aber das ist kompliziert, zu kompliziert für einen Blog. Auch deshalb schreibe ich an einem so monumentalen Werk.

Über das Schreiben hinaus möchte ich meine Träume wirklich umsetzen. Ich will meine Bücher in den Buchtempeln sehen. Dafür tu ich viel. Jeden Tag. Damit mein Buch dort ist, wo ich es mir hinträume, gehe ich neue Wege, ersinne traumhafte Mittel, die ein E-Book in den Buchhandel tragen können, die etwas so flüchtiges wie Dateien angreifbar machen. Die es erlauben, dem kleinen Buchhändler die Angst vor den Online-Shops zu nehmen. Und so schafft es mein Heldentraum vielleicht auf seinem Weg in die Freiheit, die Welt dort ein bisschen zu verbessern.
Aber ich träume schon wieder.



Montag, 22. Juli 2013

Wenn das Hirn schmilzt - oder die Struktur des Schreibens

Ich habe es ja schon gesagt, es ist heiß!
Münchner Sommer neigen zu Extremen. Sie geben sich sehr selbstbewusst gegenüber dem Münchner Winter, der kess mit der Antarktis kokettiert, wenn er sich nicht gerade in monatelanges Schnieselgrau kleidet. Münchner Sommer sind entweder nass (im Sinne von monatelangem Schnieselgrau) oder heiß. HEISS.
Im Sinne von schwül. So schwül, dass man im Bett davonschwimmt, dass man sich frägt, warum man irgendwann im Embyonalstadium zwar Kiemen ausbildet, sie dann aber wieder abwirft (wo man sie doch so gut brauchen könnte) und dass das Hirn verquillt, während man doch an seinen Texten arbeiten müsste/sollte/wollte. Ich weiß es nicht. Weiß nicht, was ich wollte. Sagen wollte. Schreiben sollte.
Es ist heiß. Aber das habe ich schon gesagt. Und ich bin kurzatmig. Vermutlich weil mein geschmolzenes Gehirn gerade melasseartig meine Kehle hinunterrinnt, um meine Lunge zu verkleben und mein Herz einengt, bis ich - unfähig nur noch einen einzigen geraden Gedanken zu fassen - ohnmächtig über meiner Tastatur zusammenbrechöoasdkplöööa...

Eigentlich wollte ich ja über die Struktur des Schreibens schreiben und das ist an einem Tag wie diesem auch dringend erforderlich. Zu wenig Kreativität kann die Struktur eines Textes als jene Krücke verwenden, die andernfalls zügelt, was sich zu vergaloppieren droht. Ich schreibe eigentlich schnell. Gern und mit flinken Fingerchen. Ohne großes Plotten, ohne Konzept. Einfach nur so, wie es mir einfällt, wohin mich die Geschichte treibt. Das geht übrigens nicht schneller, sondern nur in einem anderen Rhythmus. Wer vorher plottet, muss nachher weniger glätten. Man kann sich bei Hitze entweder langsam voranbewegen, um nicht zu schwitzen, oder aber öfter Klamotten wechseln und duschen. Gibt sich nicht viel. Dauert am Ende gleich lang. Dumm für die, die beides müssen. Kriechen und duschen. Aber ich schweife ab. Es ist heiß.


Worüber wollte ich heute bloggen? Ach ja, über Struktur.
Man sieht schon, es genügt nicht, um etwas zu erzählen, wenn man weiß, was man erzählen will. Man muss das komprimieren und gewichten. 

In der Hitze bäckt alles, bis auf das Wesentliche zusammen. Ist eine Mumie, die Essenz eines Körpers? Auch in einem Text sollte man Entbehrliches weglassen. Füllwörter meiden und Adjektiven mit gesunder Skepsis begegnen. Knappe, prägnante Sätze, die den Leser abholen, in die Geschichte tragen und dort so fesseln, dass er nicht mehr hinauskommt. Besser noch - er soll nicht hinauswollen. Dem Autor und seiner Geschichte hilflos ausgeliefert, Opfer seiner eigenen Neugier, in der er brennen soll, wie ich heute Nachmittag. Muahahaha.

Es genügt nicht, dass der Autor seinen Plot strahlen lässt. Er muss auch seine Geschichte schattieren können. Schatten ist was Tolles. Gerade im Sommer.
Auch ein maximal zusammengestrichener, hochdruckkomprimierter Text besteht aus wichtigen Dingen, Informationen, die den Plot transportieren, Hinweisen auf wesentliche Charaktereigenschaften der Protagonisten, die man wissen muss, um sie zu verstehen und Dingen, die im nächsten Kapitel wichtig werden. 
Daneben gibt es natürlich auch nicht so wichtiges. Atmosphärisches, eine Schilderung einer Beobachtung, Dinge, die man mehr mit dem Bauch als mit dem Kopf aufnimmt. Die man nicht so bewusst wahrnimmt, aber die trotzdem wirken, auch wenn man sie nachher nicht zitiert (außer man hat Spaß daran, auch außerhalb der Schule nochmals einen Text so richtig zu sezieren). Sie sind wichtig für das Wohlbefinden des Lesers, fürs Gesamtbild und für Ruhepausen, damit sich das Wichtige im Leserhirn setzen und bei Bedarf erinnert werden kann.
Anders als der Leser weiß der Autor, was jetzt konkret richtig wichtig und was jetzt nur so lesenswert ist. Und das muss er für den Leser unaufdringlich bemerkbar machen. 
Würde er nur das "richtig Wichtige" beschreiben, fühlt der Leser sich von der Informationsflut überfordert, ist angestrengt und schnell unwillig. Wer einen Datenoverkill sucht, liest eher Fachbücher. 
Schreibt er alles auf, ohne zu strukturieren und Filter anzulegen, wird das für den Leser sogar noch frustrierender, denn er hat sich dann womöglich mühevoll gemerkt, was gar nicht wichtig gewesen wäre. 

Ich habe zum Beispiel in der ersten Fassung von "Einfach kein Held", dem Prä-Helden quasi, ein Gespräch mit dem Hofnarren am Bankett aufgenommen, die einfach nur die Vielschichtigkeit des Kaiserhofs aufzeigen sollte. Das hat aber die Leser sehr verwirrt,weil sie annahmen, diese Szene hätte eine tiefere Bedeutung. Und ich wurde gefragt, wann denn der Hinweis des Narren Bedeutung erhalte...
JETZT. Denn ich habe gelernt, dass so was nicht funktioniert. Also nicht so. Wenn es einer Geschichte an Struktur fehlt, verschmilzt alles zu einem zähen zerkochten Brei, den zu lesen keinen Spaß macht. Wenn an hingegen seine Geschichte mit ein paar raffinierten Beilagen würzt, gewinnen alle. Das Hauptgericht und die Beilagen. 

Ich habe mir jetzt einen starken Minztee gemacht, der so wie ich es mal in Marokko gelernt habe (oder war es Tunesien), tatsächlich gut gegen Hitze hilft. Warm! Mit einem Ventilator und feuchten Vorhängen. Wirkt auch. Und so bin in der Lage, strukturiert zu denken. 

Wie aber strukturiert man einen Text?
Gutenberg, so habe ich mal wo gelesen, hatte seine Bibel aus Platz- und Papierspargründen ohne Absätze gedruckt. Nachvollziehbar.
Ich hatte letztlich eine wirklich gute Geschichte einer befreundeten Autorin zu lektorieren, die Absätze auch eher sparsam und nach dem Zufallsprinzip eingesetzt hat, und weiß jetzt, warum die "Return"-Taste auf der Tastatur so groß ist. 
Zu einem guten Text gehört eben auch eine optische Unterteilung. 
Mit einem Absatz weißt der Autor unauffällig seinen Leser auf einen neuen Gedanken hin. Oder auf einen anderen Redner. Oder auf eine andere Art von Wechsel. Oder auch eine Betonung. 
Ein Autor hingegen sollte seinen Text darauf untersuchen, ob jeder Absatz eine Aussage hat und wie diese in Sachen Wertigkeit/Wichtigkeit im Verhältnis zu seiner Nachbarschaft steht. Es sollten  nicht die einen Passagen mit Ereignissen überfrachtet und andere mit leerem Gerede geflutet werden. 

So wie einzelne Hitzetage angenehm sind und ein Platzregen befreiend sein kann, sollte man es bei Absätzen nicht übertreiben. Absätze mit mehr als 15 Zeilen, sollten sich vor Ihrem Autor für ihre Länge rechtfertigen müssen, denn sie erschlagen die Leser leicht. In zu großen Blöcken verliert sich das Auge. Auch zwischen den Sätzen, die sich zu einem Absatz zusammenfinden, sollte ein logischer Zusammenhang bestehen. Andernfalls...d Return-Taste.

Große Absätze sind Kapitel. Oder besser: Kapitel sind so etwas wie große Absätze. 
Ein Kapitel sollte eine in sich geschlossene Einheit bilden und sich grundsätzlich in Anfang, Mitte und Schluss unterteilen lassen. 
Ich schreibe beim "Helden" in verschiedenen Handlungssträngen, die miteinander verflochten sind. Das führt zu Kapitelchen im Kapitel. Bei ihnen achte ich sehr auf diesen dramaturgischen Aufbau. Die eigentlichen Kapitel hingegen geben zuvorderst einen (zeitlichen) Rahmen vor, innerhalb dessen die Handlungsstränge verwoben sind. Ein Kapitelende signalisiert einen ramaturgischen Knoten. Einen Abschluss. 
Bei mir. Es gibt keine festen Regeln für Kapitel. Aber Tipps.
Es gibt Autoren, die sehr ausgewogene Kapitelstrukturen nutzen. Ungefähr gleichlange Abschnitte. Es gibt viele Autoren, die zwischen langen und kurzen Kapiteln abwechseln. Zu lang sollten sie keineswegs sein, das strengt beim Lesen an. 

Ich versuche - im Großen und Ganzen - die Kapitel etwa gleichlang zu halten, die einzelnen Abschnitte dagegen unterschiedlich. Vielstufige Werke haben auch Vorteile. 

Cliffhanger sind, richtig eingesetzt, so was wie der Ansaugstutzen der Geschichte. Gemeint ist ein offenes Ende. Man liest, hat eigentlich keine Zeit, will das Kapitel fertig lesen. Der Ordnung wegen und dann das. Ein Cliffhanger, man weiß nun doch nicht. ob der Held erwischt wird, der Bösewicht seine Strafe erhält, das Mädchen seinen Liebsten... Also liest man weiter. Sehr gut! Allerdings stumpft der Leser dabei auch leicht ab. Im Zweifel würde ich das daher lieber sparsam einsetzen. Weniger ist häufig mehr.

Und erstaunlicherweise hat Patricia Highsmith Recht, wenn sie schreibt, ein Roman würde gewinnen, wenn man ein bis zwei Sätze am Ende eines Kapitels streicht. Und zwar jene, von denen man annimmt, dass sie hingehören. Sätze, Szenen, Worte, Kapitel - bei denen schon der Autor überlegt, ob der Plot sie braucht - braucht er sicher nicht!

In diesem Sinne - bleibt es mein Geheimnis, was das ursprünglich geplante Ende dieses Beitrags gewesen wäre. Nur soviel dazu: Ich hatte doch noch was zum Wetter zu sagen...

Montag, 15. Juli 2013

Die Seele des Schreibens

Wenn man was zu sagen hat, schreibt man es auf.
Um Gedanken zu sortieren.
Um sich auf die Rede vorzubereiten.
Um es bei Gelegenheit zu sagen.
Um es nicht zu vergessen.
Um es nicht sagen zu müssen, weil es ja aufgeschrieben ist.

Manchmal aber schreibt man auch, weil man es nicht zu sagen wagt.  Das sind die interessanteren Fälle.
Warum ist Papier besser als ein Ohr? Ob das jetzt ein Tagebuch ist, ein Notizbuch, eine Einkaufsliste, ein Buch...

Ist Papier vertrauenswürdiger? Nun, im Fall der Einkaufsliste sicherlich. 
Aber jenseits hiervon? Ich weiß es nicht. 

Als Strafverteidiger lernt man schnell: "Schrift ist Gift." Was da geschrieben steht. Steht da. So wie man es aufgeschrieben hat. Oft aus dem zwischenmenschlichen Zusammenhang gerissen und damit auch im Volltext falsch zitiert. Was man im Zorn schnell niederschreibt, sieht man danach mit anderen Augen. Aber das Papier ist da und wühlt dann zur Unzeit in falschen Wunden. Es bleibt da und lässt sich unverändert wieder und wieder lesen. Man kommt nicht mehr davon weg, kann mit Betonungen und Gesten nichts mehr mildern, betonen, verschieben. 

Ich habe nie intensiv Tagebuch geschrieben. Bei mir verkommt das immer in ein paar Tagen nach dem gefassten Vorsatz zu einem Logbuch, in dem allenfalls Notizen dazu stehen, wo ich gewesen bin. Aber mehr? All meine Gedanken, meine Sorgen und Nöte, meine Wünsche und Freuden, eben das, was man üblicherweise seinem Tagebuch anvertraut? Irgendwie langweilt mich das. Obwohl ich mich durchaus mit tagebuchtauglichen, hosentaschenphilosophischen Gedanken trage, durchaus emotional bin und auch meine kleinen und großen Geheimnisse habe. Vielleicht bin ich mir selbst zu nah, denn das Aufbereiten meiner Gedanken aus meiner Perspektive bietet für mich nichts Neues, keinen besonderen Reiz. Das ist wirklich Tagebuch reduziert auf Erinnerungsfunktion und damit als Logbuch vielleicht nicht so schlecht beschrieben.

Wenn ich allerdings meine Geschichten schreibe... Das Leben fremder Figuren, meiner Protagonisten nämlich, dann ist das etwas ganz anderes. Dann trete ich mit meiner Erfahrung aus meinem Leben heraus und kann sie mir noch einmal ansehen, in einer anderen Perspektive, in einer anderen Welt und unter von mir gewählten, fast schon laborartigen Bedingungen. Wenn eine Reaktion, ein Gefühl, ein bestimmtes Verhalten sich in den von meinem Leben völlig verschiedenen Situationen einer Fantasy-Welt genauso anfühlen, genauso funktionieren, sich (innerhalb der vorgegebenen Dramaturgie) logisch und richtig wirken, dann scheint dahinter ein universelles Prinzip verborgen zu sein.
Und ich bin wieder ein bisschen weiter auf meiner Suche nach den ganz großen Zusammenhängen...

Aber ein Stück weit offenbart sich in der Art zu schreiben, durch die Entscheidung, worauf man den Fokus lenkt, wie man eine Szene aufbaut, das Spannendste am Schreiben - die Seele des Autors. Jenes scheue Wesen, das in den tiefsten Schatten unseres Selbst wurzelt, das die wundervollsten Blüten treibt und all unsere guten Seiten nährt. 

Das ist ein verstörender Gedanke, von dem ich nicht weiß, ob ich ihn mag. Nachdenklich durchblättere ich meine Werke. In Print dieses Mal, nicht die Datei. Das ist intimer. Persönlicher... Ich bin ein Romantiker? Bin ich?
Ja, da ist viel von mir drin. Meine Art zu sprechen, meine Bildwelt, mein Humor, meine Gedanken, meine Wertungen und meine Entscheidungen. Wer mich kennt, findet mich in meinen Zeilen. Ganz und gar und unverfälscht, wenngleich natürlich gut getarnt, hinter einem Plot, logischen Zwängen, der Charakterentwicklung der Protagonisten... 
Ist das immer so? Oder nur in den Büchern, die man mit seinem Herzblut schreibt? Das weiß ich nicht, denn jenseits meines "Helden" schreib ich nur Fachartikel und die sind wenn nicht seelenlos, so doch seelenretardiert.

Ich schreibe an einer Geschichte, die mir nicht gehört, weil sie erzählt werden will. Das habe ich ja schon oft gesagt und auch geschrieben. Und damit ich sie schreiben kann, muss ich alles geben. Es ist meine Seele, die sie zum Blühen bringt. Sie ist ein Stück von mir.

Und wer sich ihr öffnet, wird auch mich erkennen.
Wow, das klingt megadramatisch. Aber so elitär ist das gar nicht. Ich bin mir sicher, dass das bei den überaus meisten Büchern so ist, die aus einem inneren Bedürfnis heraus und nicht als Verlagsauftragsarbeit geschrieben werden. 

Lasst die Seelen miteinander sprechen - das ist ein ganz anderes Lesegefühl.

Donnerstag, 4. Juli 2013

Autorenkrankheit

Ich bin krank!
Ich hab Kopfweh, mir ist schlecht und meine Füße kribbeln, als steckten sie in einem Ameisenhaufen. In einem Haufen wütender Ameisen, die sich darüber ärgern, dass sie an den Krämpfen in meinen Beinen nicht vorbeikommen.

Bäh!

Doch statt mir einen Tee zu kochen (oder auch kochen zu lassen) und gepflegt schniefend in Decken eingehüllt auf bessere Zeiten und mehr Gesundheit zu warten, ertappe ich mich dabei, meinen Zustand literarisch zu analysieren. Wie beschreibe ich das, was mit mir passiert, am Besten? Welche Formulierung bringt es treffend auf den Punkt? Taugt der Ameisenvergleich?

Ich bin nicht sehr zufrieden. Es ist gar nicht so leicht, Krankheit zu beschreiben. Man will ja nicht, dass der Held zu jammerig herüberkommt. Aber der Leser soll schon sehen, wie er leidet. Aber eben heroisch. Würdevoll. Und unterhaltsam. Elend langweilt leicht.
Ist das schwierig. Vielleicht kann ich den Ameisen ja entgehen, wenn ich mich mal in die Bibliothek begebe. Da kann ich meinen Tee ja auch trinken. Und ich fühle mich fleißig. Außerdem lenkt es ab. Von meiner Krankheit durch andere Krankheiten. Schön schräg.
Albert Camus - die Pest. E.A.Poe - der rote Tod, Marquez - die Liebe in Zeiten der Cholera... Das ist schon alles ziemlich dramatisch und die Krankheit wird zum eigenen Protagonisten.
Winnetou - na, der wurde erschossen und ist dann auch gleich tot.
Gregor Samsa? Ob die Käferwerdung eine Krankheit ist, bleibt offen. Ich weiß es jedenfalls nicht mehr.
Hmhmhm...
Wer war denn sonst so krank. Quasi beiläufig.
Gustav Aschenbach, bevor er in Venedig starb. Werther oder Effie Briest.
Da ist Krankheit auch ein Stilmittel. Eine Metapher, die das Scheitern ausdrückt. Oder eine Erlösung. Vielleicht ist es auch eine Art psychologische Auseinandersetzung mit dem unangenehmen Phänomen Krankheit, Verfall, Tod.
Ist das der Grund, warum ich mich gerade damit beschäftige, wie man Krankheit beschreiben kann. Müssen meine armen Protas krank sein, damit ich in meinem Elend nicht allein bin?
Wie handhabe ich das denn im #Held?
Lasse ich Kaska deshalb halb verdursten und Barrad unter dem Rattenüberfall leiden? Ertränke ich daher Xeri fast an der Furt?
War ich krank als ich die Episode mit den Ratten geschrieben habe?
Ich weiß es auch nicht mehr genau. Vielleicht.
Ist es realistisch, dass man in einer Fantasy-Welt auch diese Seite des Lebens zeigt?
Braucht es in einer Fantasy-Welt überhaupt Realismus?
Erstaunlicherweise ja, mehr sogar als in einer normalen Welt. Um den Leser erfolgreich mit Magie und Drachen einzufangen, bedarf es peniblen Realismus in allen anderen Belangen. Je "echter" sich die fiktive Welt anfühlt, desto besser wird sie angenommen. Da wir aber nur aus unserem eigenem Erleben das "Echte" vom "Falschen" trennen können, zeichnet sich eine gute Fantasy-Welt gerade durch eine ausgewogene und fein austarierte Mischung aus Bekanntem und Erdachten aus.
Weise Worte. Mein Gehirn funktioniert noch. Aber es beantwortet meine Frage nicht, ob dieser erforderliche Realismus auch Krankheit verlangt. Ist es ein Identifikationsangebot oder ein Grund sich vom Protagonisten emotional zu entfernen?
Nochmal gehe ich meinen Bücherschrank durch. Literarische Krankheit ist immer dramatisch. Pest, Typhus, Cholera. Schwindsucht.
Oder wenigstens bedeutungsvoll. Krankheit als Metapher. Sinnbild und Allegorie.
Oder dient der Plotentwicklung. Der Held hat Schnupfen und auf dem Weg zur Apotheke passiert dann was.
Aber einfach so? Nur so? Weil man halt auch mal krank ist?
Mir fällt nichts Passendes ein. Das ist offenbar zu viel des Realismus.
Die beiläufige Krankheit ist literarisch nicht vorgesehen. Das bereitet mir Kopfschmerzen. So komme ich nicht weiter.
Also noch einen Schritt zurück. Ich wollte Krankheit beschreiben und habe überlegt, wie es wohl die Großen, die Titanen der Literatur machen. Da hab ich nur große und bedeutungsvolle Krankheiten gefunden. Das hilft mir nicht weiter.
Also muss ich selber schreiben. Allein. Ohne Inspiration und Vorbild.
Doch. Mich. Meine Krankheit. Die wird damit plötzlich zur Chance. Nach innen lauschend schnappe ich mir meinen Laptop...
Welchen meiner Protas erwischen denn die Krämpfe, die Übelkeit und vor allem die Ameisen?
Und dann halte ich inne.

WIE KRANK IST DAS DENN?



Dienstag, 2. Juli 2013

Mit Protagonisten auf Tuchfühlung gehen.

Schöne neue Welt....
Ich überarbeite ja bekanntlich gerade Band I vom "Helden" und verarbeitete das, was ich so an Feedback aus allen Ecken und Enden eingefangen habe.
Es ist gar nicht so einfach, wenn man Geschichte eigentlich gut findet und die Story so ineinander verwoben ist, dass kleinste Änderungen an einer Stelle, dann in Band III zu unlösbaren Problemen führen.
Ich kann nur jeden Hobby-Autoren davor warnen, eine zu groß angelegte Geschichte zu beschreiben und diese auch noch mit mehr als den unbedingt absolut erforderlichen Protagonisten treffen.

Aber eigentlich wollte ich gar nicht jammern und darum tu ich es auch nicht. Ich bin ganz guter Dinge, dass mir der Reload vom Helden gut gelungen ist. Ein bisschen mehr Suspense zu Beginn, mehr Nähe zu den mutmaßlichen Attentätern schafft ein Gefühl von Bedrohlichkeit, das vorher zu unterschwellig war.
Nur ein bisschen mehr Einblick in die Motive der Protagonisten lässt im wesentlichen unveränderte Texte in völlig neuem Licht erstrahlen. Ich bin begeistert.
Und sehr, sehr gespannt, was Ihr dazu sagt...

Die intensive Beschäftigung mit den Motiven meiner Protagonisten, die mir so real vorkommen, dass es schon fast Freunde - nun ja, Brieffreunde - sind, hat mich auf eine Idee gebracht. Auch wenn Google+ und Facebook jetzt nicht die natürlichen Spielwiesen von Fantasy-Helden sind - und auch nicht von Nichthelden - habe ich meine ersten beiden Protagonisten doch einfach mal ins Netz geworfen.

Wer mag, kann sich mit dem klugen Xeroan und dem gewitzten Kaska austauschen und unmittelbar mitverfolgen, was sie so treiben, was sie unterwegs durch die Heldengeschichte beschäftigt und was sie von mir denken.

Es ist ein Experiment, durch den Austausch mit echten Menschen, mehr über meine Figuren zu lernen, sie plastischer zu gestalten und damit besser.

Ich bin gespannt.

Xeroans Seite
Kaskas Seite

ach ja... und meine auch!