Mittwoch, 11. Juni 2014

Freud für Rezensenten

Facebook - Fundstück
Zur Zeit tobt auf mehreren Kanälen ein aktueller Aufreger. Ein Verlag hat in einer größer angelegten Promotion Bloggern Einkaufsgutscheine für eine Rezension angeboten (unabhängig vom Ergebnis der Rezension). Darüber empören sich die Blogger, vor allem einige, die ich selbst kenne, schätze und verfolge. 

Und über diese Empörung möchte ich nachdenken. Als Autor, als Leser und als Buchmensch.

Zunächst einmal als Autor.
Da verstehe ich das Angebot sehr gut und bin überzeugt, dass es nicht darum ging, jemanden zu bestechen. Als Autor, speziell als unbekannter, ist man verzweifelt darauf angewiesen, dass das mit viel Herzblut geschriebene Buch gesehen wird. Dafür gibt es verschiedene Wege, zahlreiche Möglichkeiten, aber eine naheliegende und von allen einhellig als wichtig angesehene Methode ist es nun einmal, Rezensionen einzusammeln. Blogger, also Vielleser, sind da besonders gefragt. Das ist eine andere Diskussion, die ich heute in einer Facebook-Gruppe verfolgthabe.
Das Interesse an Bloggern liegt nicht daran, dass dessen persönliche mehr oder weniger zählen würde als die eines "Nur-Lesers". Simpel und betriebswirtschaftlich gesprochen, weil sie Multiplikatoren sind. Dadurch, dass der Blogger seinerseits Fans und Follower und damit potentielle Leser hat, die durch seine Rezension von meinem Buch erfahren.
Ich freue mich über jede Rezension, denn sie zeigt, dass da draußen ein Mensch ist, der bereit ist, seine Zeit darauf zu verwenden, über mein Bich zu sprechen. Ich freue mich natürlich noch mehr, wenn die Rezension gut ist, aber das ist menschlich. Über schlechte/kritische Besprechungen kann ich mich auch begeistern, wenn sie sich ernsthaft mit dem Buch befassen, denn daraus kann ich lernen und besser werden. Was mich dagegen runterzieht, sind Rezis, die mit: "War net meins, mag gar nicht drüber reden" einen Stern vergeben und einem die Statistik verhageln, auf die viele, viele Leser sehr achten.
Wie aber kommt man an Rezensionen? Alte Hasen haben eine Fanbase. Große Verlage stehen in steter Geschäftsbeziehung zu "ihren" Bloggern, denen sie regelmäßig Rezensionsexemplare zukommen lassen.  Aus Sicht des Verlags ist das eine Geschäftsbeziehung, egal wie nett und persönlich sie gestaltet sein mag, denn der Verlag lebt davon, dass er Bücher verkauft. Das ist der Plan. Wenn er sie also verschenkt, wird er sie steuerlich als "Werbungskosten" absetzen. Er tut dies in der Hoffnung, dadurch mehr Bücher zu verkaufen. Ein großer Verlag hat viele Bücher und damit verwöhnt er seine Blogger. Die sparen sich den Erwerb der Bücher und viele nutzen die Rezensionsexemplare danach für eigene Gewinnspiele, die sie nicht nur veranstalten, um Platz im heimischen Bücherregal zu schaffen, sondern um ihren Blog bekannt zu machen. Auch das ist Promotion.
Als Selfpublisher oder Kleinverlag wird man von vielen Bloggern schon blöd angeredet, wenn man auch nur um Rezensionen anfragt. Ich hab das damals probiert und von meinen höflichen Mailanfragen gerade mal 5% überhaupt beantwortet bekommen. Ich habe oft gelesen, wie man sich darüber aufregt, dass ein Autor zu seinem Buch Lesezeichen oder dergleichen anbietet. Dinge, über die man bei etablierten Verlagen jubelt. Ich verstehe gut. dass man versucht, mit einem richtig guten Angebot die übersättigten Blogger  hinter ihrem Ofen hervorzulocken. Ist  da ein Einkaufsgutschein so viel verwerflicher als die Wallpaper, Tassen, Lesezeichen, Bücher, die sonst für diese Zwecke verteilt werden? Kostentechnisch gibt sich das nicht viel, aber es ist imho wenigstens sinnvoll.

Und damit kommen wir zu meiner ersten Freud'schen These:
Wenn ein großer Verlag sich herablässt und einen umwirbt, erhöht das den geschmeichelten Blogger und er schnurrt. Wenn ein kleiner Verlag heraufreicht, fühlt man sich missbraucht, als Steigbügelhalter herhalten zu sollen. Und kratzt.Warum eigentlich? Immerhin traut auch der Kleine dem Blogger zu, etwas bewirken zu können. Seine Einschätzung ist nicht anders als die des Großverlags und seine Mittel auch nicht.

Würdet Ihr einen Klassenkameraden, der Euch ein Kompliment macht vor den Kopf stoßen, nur weil er nicht der Schwarm der Schule, sondern eher der Nerd von der letzten Bank ist? Nein? Weil es rücksichtslos und gemein wäre? Na, dann habt auch ein Herz für den Autor. der Euch sein Baby vorstellt. Da sind die Hände vergleichbar schwitzig und das Herz pocht laut. Glaubt mir. :)

Aus Sicht des Bloggers verstehe ich die Empörung  trotzdem. Ihr schreibt aus Leidenschaft, weil Ihr Bücher liebt und nicht, weil Ihr damit Geld verdienen wollt. Beim Pfingst-Blog-Kommentiermarathon ist mir z.B. aufgefallen, dass sehr viele Blogger trotz hoher Zugriffszahlen auf typische Adds via Google oder Amazon verzichten. Da kränkt einen natürlich ein offensichtlich kommerzielles Angebot.

So, wie ich auch beleidigt wäre, wenn ich mit einem Typen ausgehe, den ich einfach klasse finde und er mir auf dem Nachhauseweg Geld für meine Mühen geben will. Ich bin doch keine Hostess!

Aber dennoch sollten wir uns darüber im Klaren sein, dass es am Ende um Bezahlung geht. Und damit kommen wir zur zweiten Freud'schen These:Wir haben alle ein Bild von uns, das wir bestätigt wissen wollen und das wir nicht zerstört haben möchten.






In diesem Fall wollen wir vor allem nicht so wirken, als würden wir bezahlt.  Das ist interessant. Weil es nicht stimmt. Ob man in Geld oder in Naturalien bezahlt wird, ist egal. Aus Sicht des Verlags ist es eine Bezahlung  Und indem Ihr sie annehmt., professionalisiert Ihr Euren Blog nicht nur, sondern kommerzialisiert ihn auch. Das ist ein Fakt.

Interessanter ist, warum das so schlimm sein soll. Professionell klingt ja noch schmeichelhaft. Kommerziell hingegen irgendwie nuttig. Auch für Autoren übrigens (Professionell ist okay, kommerziell klingt nach Schund)

Die anerkannten Restaurantkritiker Gault Millaut und Michelin lassen Ihre Tester noch nicht einmal auf einen Kaffee einladen, um nicht dem Verdacht Vorschub zu leisten, dass sie sich kaufen oder wenigstens unbewusst von solchen Aufmerksamkeiten und Lobhudeleien milde stimmen ließen. So streng sind Blogger nicht, viele rechnen ja auch damit, dass sie Rezensionsexemplare bekommen, die ihre knappe Lesekasse entlasten. Und doch ist es eine Bezahlung, von der ich nicht sicher sagen könnte, dass sie mein Verhalten unbeeinflusst lässt. Ich rezensiere nicht zwingend besser, aber vielleicht schneller, williger und in Zweifelsfragen milder? Ich lobe die Bücher schon deshalb, weil ich sie danach in Gewinnspielen unters Volk bringe und da wäre es ja eine sehr seltsame Promo, wenn ich schlechte Bücher verschenke.

Freud'sche These: Egal, wie wir unsere Empörung begründen, primär geht es darum, dass wir unsere eigene Reputation durch solche Angebote gefährdet sehen.

Selbst wenn ich das Gutschein-bewehrte Buch hätte rezensieren wollen, würde ich nun zögern, aus Angst danach könnte es heißen, ich hätte mich kaufen lassen. 

Als Leser verstehe ich den Zinnober nicht. Dass ein Blogger, der sehr viel mehr Zeit mit der Pflege seines Blogs, mit der Gestaltung seiner Rezensionen, mit der Verteilung derselben über diverse Kanäle, mit dem Networking etc. verbringt als ich "Simpelleser", der einfach nur auf Lovelybooks oder Amazon seine Rezension einstellt. Ein Profi sieht die Dinge nun einmal anders als ein Amateur. Darum bin ich persönlich auch sehr traurig, dass ich als Autor eigentlich überhaupt nicht mehr rezensieren kann, obwohl ich sehr gerne über meine Leselieblinge spräche. Aber mir unterstellt man mehr noch als einem Blogger, dass ich gute Rezensionen nur aus Gefälligkeit schreibe und schlechte Rezensionen aus Neid - völlig einerlei, wie ausführlich ich sie begründe.

Am Ende hat  Freud (oder war es Jung) vor allem sehr treffend bemerkt, dass man sich immer über die Behauptungen am meisten aufregt, die stimmen könnten.

Eine von mir sehr geschätzte Bloggerin hat vor etwa einem Jahr mal in einem Wutschrei geschrieben, dass sie es satt habe, vor lauter political correctness überhaupt nicht mehr rezensieren zu können. Das war richtig. Ich will Eure Meinung als Autor hören. Eure Eindrücke.

Als Unternehmer, der mit seinen Büchern Geld verdienen möchte, investiere ich dabei gerne in den Multiplikator, den mir ein Blogger de facto bietet. Ich will damit nicht seine Meinung kaufen. Die will ich so hören, wie Ihr sie in Euch tragt. Aber ich bin bereit, eine Präsentation meines Buchs auf Eurem Blog zu honorieren. Aus Respekt vor Eurer Leistung, nicht aus Verachtung für Eure Leidenschaft.
 
Worauf will ich hinaus? Autoren, Verlagen, Bloggern, Lesern - uns allen geht es am Ende nur um eins - die Liebe zu Büchern. Bücher sind aber pflegeintensive Biester und diese Fürsorge können wir nur aufbringen, wenn wir dafür etwas bekommen. 



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